Herbstlicht und Abschied
Haben Sie schon einmal beobachtet,
wie Licht durch herbstliche Blätter fällt?
Wie es die Farben des Abschieds zum Leuchten bringt –
das tiefe Rot, das warme Gold, das letzte Grün?
Im Vergehen liegt manchmal eine stille Schönheit.
Eine Würde im Loslassen.
Etwas, das uns berührt,
auch wenn es weh tut.
Vielleicht ist Trauer so ähnlich:
Ein Licht, das durch feine Risse fällt –
durch Risse in unseren Plänen,
unseren Sicherheiten.
Und das uns zeigt,
was wirklich zählt.
Trauer ist kein Problem, das man lösen muss.
Sie ist eine Antwort der Liebe –
auf das, was unwiederbringlich fehlt.
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Die vielen Gesichter der Trauer
Trauer ist mehr als ein Gefühl.
Sie ist wie eine Landschaft,
durch die wir gehen,
wenn etwas fehlt, das unser Herz berührt hat.
Diese Landschaft kennt viele Wege.
Die Trauertherapeutin Chris Paul beschreibt sechs Bereiche,
die sich im Erleben abwechseln können.
Sie verwendet ein besonderes Bild.
Die verschiedenen Facetten der Trauer sind wie Glasscherben in einem Kaleidoskop:
• Überleben sichern – wenn selbst das Aufstehen schwerfällt
• Wirklichkeit begreifen – wenn das Unfassbare langsam durchsickert
• Gefühle zulassen – Schmerz, Wut, Sehnsucht, Leere
• Sich anpassen – an eine Welt, die sich verändert hat
• Eine Verbindung bewahren – zur Person oder zu dem, was verloren ging
• Neuen Sinn finden – langsam, tastend, offen
Trauer verläuft nicht in klaren Schritten.
Immer wieder ergibt sich ein neues Bild.
Manches wiederholt sich. Manches bleibt.
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So viele Formen der Trauer wie Menschen
Manche Menschen weinen. Andere verstummen.
Manche suchen das Gespräch. Andere die Stille.
Manche finden Trost im Gebet,
andere in der Natur oder im einfachen Dasein.
All diese Wege sind echt.
Alle sind richtig.
Denn:
Jeder Mensch trauert auf seine Weise.
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Was hilft mir jetzt?
Oft sind es keine großen Worte.
Sondern Zeit.
Ein eigener Rhythmus.
Ein Mensch, der da ist – mit offenen Händen und offenem Herzen.
Nicht schnelle Antworten.
Sondern Geduld.
Ein Zuhören, das mehr tröstet als jedes Reden.
Trauer braucht Raum:
für Tränen,
für Fragen,
für Erinnerungen –
und für das kostbare Schweigen dazwischen.
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Verwandlung in der Dunkelheit
In der biblischen Geschichte vom Leben und Sterben Jesu
gibt es einen Moment, der tief bewegt:
Drei Tage liegt er nach seinem Tod im Grab.
Stille. Dunkelheit. Nichts geht mehr.
Und genau dort beginnt – leise, fast unmerklich –
etwas Neues.
Ein neuer Anfang. Ein Aufatmen.
Auch in unserer Trauer kann etwas wachsen:
Ein neuer Blick.
Eine ungeahnte Kraft.
Ein leises „Dennoch“, das sich meldet.
Trauer verändert nicht den Verlust.
Aber manchmal verändert sie uns.
Sie lehrt uns,
aufmerksamer zu leben
und liebevoller zu sehen,
was kostbar ist.
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Ein Teil unseres Menschseins
Trauer ist kein Umweg.
Sie gehört dazu.
Sie zeigt: Wir sind verbunden.
Wir lieben.
Wir verlieren.
Und wir leben weiter.
Der Theologe Jörg Zink schrieb:
„Ich glaube, dass die Fähigkeit zu trauern
eine der wichtigsten Fähigkeiten ist, die wir Menschen haben.
Sie befähigt uns, mit dem Unabänderlichen zu leben
und trotzdem weiterzuleben.“
Vielleicht ist das Trauern – im tiefsten Sinn –
ein Akt des Vertrauens:
Dass selbst im Dunkel etwas wachsen kann.
Dass selbst im Schmerz Verbundenheit möglich ist.
Dass selbst im Abschied
ein Anfang verborgen liegt.
Wagen Sie, Ihrer Trauer zu vertrauen.
Sie kennt den Weg.
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Quellen
1. Chris Paul: Kaleidoskop des Trauerns. Sechs Facetten einer Erfahrung, Gütersloher Verlagshaus, 2022.
2. Chris Paul: Ich lebe mit meiner Trauer, Gütersloher Verlagshaus, 2020, S. 17.
3. Jörg Zink: Trauer hat heilende Kraft, Kreuz Verlag, 2012, S. 9.
Ich kann die Bücher von Chris Paul und ihre Vorträge in youtube sehr empfehlen. Sie sind einfühlsam und hilfreich für Menschen, die Trauernde begleiten oder selbst trauern.
Chris Paul – folgende Werke:
„Wir leben mit deiner Trauer: Für Freunde und Angehörige“ (Gütersloher Verlagshaus, 2017)
„Ich lebe mit meiner Trauer“ (Gütersloher Verlagshaus, 2020, S. 17) – Quelle des ersten Zitats
„Kaleidoskop des Trauerns“ (Gütersloher Verlagshaus, 2022) – ihr grundlegendes Werk zu den Facetten der Trauer
Jörg Zink – Quelle des abschließenden Zitats:
„Trauer hat heilende Kraft“ (Kreuz Verlag, 2012, S. 9)
Diese Werke sind wichtige Quellen im deutschsprachigen Raum zum Thema Trauer und bieten hilfreiche Perspektiven auf den individuellen Trauerprozess.