Haus des Lebens.
Gedanken zum Hospiz
In jedem Leben gibt es besondere Orte. Orte, an denen das Wesentliche greifbar wird. Ein stationäres Hospiz ist solch ein Ort. Nicht ein Gebäude des Endes. Sondern ein Haus des Lebens – bis zuletzt.
„Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben“ – dieses Wort von Cicely Saunders umschreibt die tiefste Überzeugung hinter jedem Hospiz. Ein Ort, der Würde schenkt. Ein Ort, der Raum gibt für das, was jetzt wichtig ist.
Zwischen Himmel und Erde
Was ist ein stationäres Hospiz? Es ist mehr als ein Gebäude mit Betten. Ein Raum, in dem Schmerzen gelindert werden. Sowohl die körperlichen als auch die der Seele.
Hier werden Menschen nicht als „Fälle“ behandelt. Sie werden als Gäste empfangen. Jeder mit der eigenen Geschichte. Mit Wünschen, Ängsten und Hoffnungen. Das Team aus Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten, Seelsorgern und Ehrenamtlichen nimmt jeden Menschen in seiner Ganzheit wahr.
Die leise Stimme der Seelsorge
Was kann Seelsorge in einem solchen Raum leisten? Sie ist zunächst eine Präsenz. Seelsorgende im Hospiz verstehen sich als Ansprechpartner für alle. Für die Gäste, ihre Angehörigen und auch für die Mitarbeitenden.
Seelsorgende bieten einen Resonanzraum für alles, was im Menschen anklingen möchte. Fragen nach dem Warum. Erinnerungen. Unausgesprochene Schuld. Hoffnungen und Ängste vor dem, was kommen mag.
Sie halten aus, wenn es keine Antworten gibt. Sie schweigen mit, wenn Worte nicht reichen. Sie hören die leisen Töne zwischen den Worten. Manchmal finden sie gemeinsam Rituale, Gebete, Segen oder Worte, die tragen.
Die Seelsorge im Hospiz ist konfessionell offen. Sie begegnet Menschen aller Glaubensrichtungen. Auch jenen, die keinen religiösen Bezug haben. Sie fragt nach dem, was den einzelnen Menschen trägt und nährt.
Weben am Teppich der Erinnerung
Eine besondere Aufgabe der Seelsorge im Hospiz ist die Gestaltung von Gedenkfeiern. Wenn ein Gast verstorben ist, braucht es Räume, um gemeinsam innezuhalten, zu erinnern und auch zu trauern. Diese Feiern sind wie ein gemeinsames Weben am Teppich der Erinnerung – jeder, der den verstorbenen Menschen kannte, bringt einen Faden ein.
Die Gedenkfeiern knüpfen oft an Elemente aus verschiedenen spirituellen Traditionen an, bleiben dabei aber immer respektvoll gegenüber der Weltanschauung des Verstorbenen und seiner Angehörigen. Sie bieten einen geschützten Raum, in dem die Trauer ihren Platz haben darf, ohne dass sie die Menschen überwältigt.
So können auch Gedenkfeiern mehr sein als ein Rückblick – sie können zu einem Samenkorn werden für das, was im Leben der Trauernden noch wachsen will.
Der Weg des Lebens
Ein stationäres Hospiz ist ein Ort, der uns mit unserer eigenen Endlichkeit konfrontiert und uns gerade dadurch einlädt, das Hier und Jetzt bewusster zu leben.
Ein Hospiz tut etwas, das in unserer leistungsorientierten Gesellschaft oft vergessen wird:
Es gibt Menschen einen Wert unabhängig von ihrer Produktivität oder ihrem gesellschaftlichen Status.
Es sagt: Du bist wichtig, einfach weil du bist – bis zum letzten Atemzug.
So wird das Hospiz zu einem Ort, an dem nicht nur gestorben, sondern auch intensiv gelebt wird. Ein Ort, an dem oft mehr gelacht wird, als man vermuten würde. Ein Ort, an dem die Wahrheit des Lebens in ihrer ganzen Tiefe spürbar wird.
Und vielleicht ist es gerade diese Wahrheit, die ein Hospiz zu einem so kostbaren Ort macht – in einer Welt, die oft nur die Oberfläche berührt.
Jesus sagt: „Ich bin gekommen, um ihnen das wahre Leben zu bringen – das Leben in seiner ganzen Fülle.“ (Johannesevangelium Kapitel 10, Vers 10).
Diese Fülle des Lebens prägt die Zeit im Hospiz.
Quellenangaben
„Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben“ – Cicely Saunders (1918-2005), britische Ärztin und Begründerin der modernen Hospizbewegung. Dieses Zitat stammt aus ihrem Vortrag bei der Eröffnung des St. Christopher’s Hospice in London, 1967. Später veröffentlicht in: Saunders, C. (1978): „The Management of Terminal Disease“, Edward Arnold Publishers, London, S. 196.
Das Jesus-Zitat „Das Leben in Fülle haben“ steht in Johannes 10,10.
In der BasisBibel lautet der Vers:
„Ich bin gekommen, um ihnen das wahre Leben zu bringen – das Leben in seiner ganzen Fülle.“
(Basis Bibel, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 2021)
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