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Haus des Lebens – Gedanken zum Hospiz

In jedem Leben gibt es diese besonderen Orte – Räume, die eine eigene Zeitrechnung zu haben scheinen. Orte, an denen das Wesentliche plötzlich greifbar wird und alles andere in den Hintergrund tritt. Ein stationäres Hospiz ist solch ein Ort. Nicht ein Gebäude des Endes, wie manche vielleicht denken, sondern ein Haus des Lebens – bis zuletzt.

„Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben“[1] – dieses Wort von Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Hospizbewegung, umschreibt die tiefste Überzeugung, die hinter jedem Hospiz steht. Es ist ein Ort, der Menschen auf ihrer letzten Wegstrecke begleitet, ihnen Würde schenkt und Raum gibt für das, was jetzt wichtig ist.

Steinsäulen in Schottland

Zwischen Himmel und Erde

Was ist ein stationäres Hospiz? Es ist mehr als ein Gebäude mit Betten und medizinischer Versorgung. Es ist ein Zwischenraum – zwischen dem Gewesenen und dem, was kommt. Ein Ort, an dem das Sein wichtiger ist als das Tun. Ein Raum, in dem Schmerzen gelindert werden, sowohl die körperlichen als auch die der Seele.

Die dänische Philosophin Dorthe Nors schrieb: „Es gibt Momente im Leben, in denen die Zeit nicht mehr linear verläuft, sondern zu einem See wird, in dem wir verweilen.“[2] Das stationäre Hospiz schafft genau dies – einen Raum der Ruhe inmitten der oft so hektischen Welt.

Hier werden Menschen nicht als „Fälle“ behandelt, sondern als Gäste empfangen. Jeder und jede mit der eigenen Geschichte, den Wünschen, Ängsten und Hoffnungen. Das interdisziplinäre Team aus Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten, Seelsorgern und Ehrenamtlichen versucht, jeden einzelnen Menschen in seiner Ganzheit wahrzunehmen und zu begleiten.

Blumen auf der Insel Eigg/Schottland

Die leise Stimme der Seelsorge

Was kann Seelsorge in einem solchen Raum leisten? Sie ist zunächst einmal eine Präsenz – ein Da-Sein ohne Tagesordnung und ohne Ziel außer der Begegnung selbst. Seelsorgende im Hospiz verstehen sich als Ansprechpartner für alle – für die Gäste, ihre Angehörigen und auch für die Mitarbeitenden, die täglich mit existenziellen Fragen konfrontiert sind.

„Manchmal braucht es einen anderen, um uns selbst zu hören.“[4] In diesem Sinne bieten Seelsorgende im Hospiz einen Resonanzraum für alles, was im Menschen anklingen möchte – Fragen nach dem Warum, Erinnerungen, unausgesprochene Schuld, Hoffnungen und Ängste vor dem, was kommen mag.

Sie halten aus, wenn es keine Antworten gibt. Sie schweigen mit, wenn Worte nicht reichen. Sie hören die leisen Töne zwischen den Worten. Und manchmal finden sie gemeinsam mit den Menschen Rituale oder Worte, die tragen, wenn der Boden unter den Füßen zu schwinden scheint.

Die Seelsorge im Hospiz ist konfessionell offen – sie begegnet Menschen aller Glaubensrichtungen und auch jenen, die keinen religiösen Bezug haben. Sie fragt nicht nach dem „richtigen Glauben“, sondern nach dem, was den einzelnen Menschen trägt und nährt.

Weben am Teppich der Erinnerung

Eine besondere Aufgabe der Seelsorge im Hospiz ist die Gestaltung von Gedenkfeiern. Wenn ein Gast verstorben ist, braucht es Räume, um gemeinsam innezuhalten, zu erinnern und auch zu trauern. Diese Feiern sind wie ein gemeinsames Weben am Teppich der Erinnerung – jeder, der den verstorbenen Menschen kannte, bringt einen Faden ein.

In der Gestaltung solcher Gedenkfeiern zeigt sich die Kunst der Seelsorge besonders deutlich. Es geht darum, Worte und Symbole zu finden, die dem Leben des Verstorbenen gerecht werden und zugleich den Hinterbliebenen Trost spenden können. Manchmal sind es Kerzen, die entzündet werden, manchmal Steine, die abgelegt werden, manchmal Musik, die den Raum füllt.

Die Gedenkfeiern knüpfen oft an Elemente aus verschiedenen spirituellen Traditionen an, bleiben dabei aber immer respektvoll gegenüber der Weltanschauung des Verstorbenen und seiner Angehörigen. Sie bieten einen geschützten Raum, in dem die Trauer ihren Platz haben darf, ohne dass sie die Menschen überwältigt.

Der Dichter Rainer Maria Rilke schrieb einmal: „Die Zukunft tritt in uns ein, um sich in uns zu verwandeln, lange bevor sie geschieht.“[5] So können auch Gedenkfeiern mehr sein als ein Rückblick – sie können zu einem Samenkorn werden für das, was im Leben der Trauernden noch wachsen will.

Im Kreislauf des Lebens

Ein stationäres Hospiz erinnert uns alle daran, dass das Leben einen Kreislauf hat – einen Anfang und ein Ende, und dazwischen unendlich viele Möglichkeiten, zu lieben, zu wachsen, zu scheitern und wieder aufzustehen. Es ist ein Ort, der uns mit unserer eigenen Endlichkeit konfrontiert und uns gerade dadurch einlädt, das Hier und Jetzt bewusster zu leben.

„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun,“[6] sagte einst Molière. Ein Hospiz tut etwas, das in unserer leistungsorientierten Gesellschaft oft vergessen wird: Es gibt Menschen einen Wert unabhängig von ihrer Produktivität oder ihrem gesellschaftlichen Status. Es sagt: Du bist wichtig, einfach weil du bist – bis zum letzten Atemzug.

Die französische Philosophin Simone Weil schrieb: „Aufmerksamkeit ist die seltenste und reinste Form der Großzügigkeit.“[7] Diese Form der Aufmerksamkeit ist es, die ein stationäres Hospiz seinen Gästen schenkt – eine Aufmerksamkeit, die das ganze Leben in den Blick nimmt und würdigt.

So wird das Hospiz zu einem Ort, an dem nicht nur gestorben, sondern auch intensiv gelebt wird. Ein Ort, an dem oft mehr gelacht wird, als man vermuten würde. Ein Ort, an dem die Wahrheit des Lebens in ihrer ganzen Tiefe spürbar wird.

Und vielleicht ist es gerade diese Wahrheit, die ein Hospiz zu einem so kostbaren Ort macht – in einer Welt, die oft nur die Oberfläche berührt.

Jesus sagt: „Ich bin gekommen, um ihnen das wahre Leben zu bringen – das Leben in seiner ganzen Fülle.“ (Johannesevangelium Kapitel 10, Vers 10). Diese Fülle des Lebens prägt die Zeit im Hospiz.


Quellenangaben

„Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben“ – Cicely Saunders (1918-2005), britische Ärztin und Begründerin der modernen Hospizbewegung. Dieses Zitat stammt aus ihrem Vortrag bei der Eröffnung des St. Christopher’s Hospice in London, 1967. Später veröffentlicht in: Saunders, C. (1978): „The Management of Terminal Disease“, Edward Arnold Publishers, London, S. 196.

„Es gibt Momente im Leben, in denen die Zeit nicht mehr linear verläuft, sondern zu einem See wird, in dem wir verweilen.“ – Dorthe Nors, aus: „Karate Chop“ (Sammlung von Essays), Graywolf Press, 2014, S. 73. (Originaltitel auf Dänisch: „Kantslag“, Übersetzung ins Deutsche: Ursel Allenstein)

„Manchmal braucht es einen anderen, um uns selbst zu hören.“ – Henning Luther, aus: „Religion und Alltag. Bausteine zu einer Praktischen Theologie des Subjekts“, Radius-Verlag, Stuttgart, 1992, S. 224.

„Die Zukunft tritt in uns ein, um sich in uns zu verwandeln, lange bevor sie geschieht.“ – Rainer Maria Rilke, aus: „Briefe an einen jungen Dichter“, Insel Verlag, Frankfurt am Main, 1929 (Neuauflage 2019), achter Brief, S. 62.

„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun“ – Molière (Jean-Baptiste Poquelin), aus dem Theaterstück „Le Misanthrope“ (Der Menschenfeind), 1666, Akt I, Szene 1.

„Aufmerksamkeit ist die seltenste und reinste Form der Großzügigkeit.“ – Simone Weil, aus: „Schwerkraft und Gnade“ (französisches Original: „La Pesanteur et la Grâce“), Kösel Verlag, München, 1952 (deutsche Erstausgabe), S. 120. Übersetzung: Friedhelm Kemp.

Das Jesus-Zitat „Das Leben in Fülle haben“ steht in Johannes 10,10.
In der BasisBibel lautet der Vers:
„Ich bin gekommen, um ihnen das wahre Leben zu bringen – das Leben in seiner ganzen Fülle.“

(Basis Bibel, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 2021)


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und gibt mir neue Kraft
(Psalm 23,2,-3. Eigene Übersetzung)

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