Eine Meditation zu Beginn
Manchmal braucht es einen Moment der Stille.
Einen Raum zwischen den Gedanken.
Künstliche Intelligenz kann vieles berechnen – aber nicht das Geheimnis einer Begegnung.
Sie kann Worte finden – aber nicht die Pause zwischen den Sätzen, in der Verstehen geschieht.
Sie kann Muster erkennen – aber nicht das Einzigartige, das sich keinem Algorithmus fügt.
Was in dir unverwechselbar ist, lässt sich nicht programmieren.
Deine Verletzlichkeit.
Dein Ringen um Worte.
Dein Mut, dich zu zeigen.
Dein Gebet in der Nacht.
Das alles gehört zu dir – und ist mehr als Daten.
Vielleicht ist gerade das die Botschaft:
Dass wir in einer Welt voller Technik neu lernen dürfen, was uns menschlich macht.
Nicht Perfektion.
Nicht Effizienz.
Nicht Verfügbarkeit rund um die Uhr.
Sondern das Gegenteil:
Das Unverfügbare.
Das Geschenkte.
Das, was sich ereignet zwischen zwei Menschen, wenn beide wirklich da sind.
Mögen Sie den Mut finden, diesem Menschlichen zu vertrauen – auch wenn es nicht messbar ist.
Mögen Sie spüren: Sie sind mehr als die Summe Ihrer Funktionen.
Sie sind einzigartig.
Und Sie sind gewollt.
KI im geistlichen Raum – Eine Zwischenbilanz | 2025
Künstliche Intelligenz ist längst kein theoretisches Gedankenspiel mehr. Sie ist Teil unseres Alltags – auch dort, wo es um das zutiefst Menschliche geht: um Glaube, Beziehung, Seelsorge.
Seit meinem letzten Text im Mai 2025 hat sich die Diskussion weiterentwickelt. Aus vorsichtigen Experimenten sind konkrete Projekte geworden. Aus ethischen Überlegungen werden Leitlinien. Aus der Frage „Soll KI in der Kirche überhaupt eine Rolle spielen?“ ist die Frage geworden: „Wie gestalten wir ihren Einsatz verantwortungsvoll?“
Wo KI in der Kirche heute schon Realität ist
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau testet seit Juli 2025 KI-Chatbots für die Telefonseelsorge – nicht als Ersatz, sondern als Entlastung bei Daueranrufern, die Leitungen blockieren. In Luzern hatte ein „KI-Jesus“ im Beichtstuhl Gespräche in hundert Sprachen geführt. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 2023 predigte erstmals ein Chatbot. In der Schweiz meditieren Menschen im digitalen „Netzkloster“ gemeinsam über Zoom – eine Form von Spiritualität, die analoge und digitale Räume verbindet.
Die Diakonie Deutschland hat im Februar 2024 umfassende Leitlinien zur KI-Nutzung veröffentlicht. Sie ermutigen Mitarbeitende ausdrücklich, „offen und neugierig gegenüber neuen Werkzeugen zu sein“ – bei gleichzeitig klaren ethischen Grenzen.
Das RefLab der Reformierten Kirche Zürich kartografiert seit Oktober 2024 systematisch die „digitale Spiritualität“: vom Zoom-Gottesdienst „Brot & Liebe“ über das Netzkloster bis zur Minecraft-Kirche. Ihr Fazit: Spiritualität findet heute selbstverständlich sowohl analog als auch digital statt.
Wo die Diskussion steht: Drei Lager
In der kirchlichen Debatte zeichnen sich drei Positionen ab:
Die Technikskeptiker warnen davor, dass spirituelle Tiefe und echte Begegnung verlorengehen. Ihre Sorge: Seelsorge könnte zu einem „maschinellen Dienst verkommen“, wie es Kirchenpräsidentin Christiane Tietz von der EKHN formuliert. Sie betonen: Das Wissen darum, dass ein anderer Mensch mit mir empathisch ist, sei heilsam für die Seele. „Nicht perfekt, aber echt.“
Die pragmatischen Befürworter sehen in KI ein nützliches Werkzeug – vor allem für Verwaltung, Übersetzung, Textarbeit. Sie argumentieren: KI könne Ressourcen freisetzen für das Kerngeschäft der Kirche. Ein Chatbot könne in hundert Sprachen kommunizieren, sei rund um die Uhr erreichbar, schaffe niedrigschwellige Zugänge. Theologe Rainer Bayreuther plädiert für eine „Zusammenarbeit von Mensch und Maschine“ – solange der Mensch nicht verstummt.
Die kritisch Suchenden bewegen sich zwischen beiden Polen. Sie fragen: Wo kann KI ergänzen, ohne zu ersetzen? Wo erweitert sie Möglichkeiten, ohne Würde zu gefährden? Sie experimentieren behutsam, reflektieren theologisch, entwickeln Leitlinien.
Was KI nicht kann – und was nur Menschen vermögen
Die meisten kirchlichen Stimmen sind sich einig: KI kann Sprache simulieren, aber keine Empathie empfinden. Sie kann Muster erkennen, aber keine Zwischentöne hören. Sie kann Trost-Formulierungen generieren, aber nicht mitfühlen.
Ein Chatbot „versteht“ nicht – weil da kein „Ich“ ist, das verstehen könnte. Er kennt keine Verletzlichkeit, keine Sterblichkeit, kein Ringen mit Schuld und Gnade. Wenn KI sagt „Ich verstehe dich“, ist das eine Simulation. Wenn ein Mensch es sagt – selbst unvollkommen –, ist es eine Beziehung.
Seelsorge lebt davon, dass beide Seiten verletzlich sind. Dass auch der Seelsorgende Grenzen kennt, müde wird, nicht perfekt ist. Diese geteilte Menschlichkeit schafft Vertrauen. Sie lässt sich nicht programmieren.
Wo KI hilfreich sein kann
Gleichzeitig gibt es Bereiche, in denen KI sinnvoll unterstützen kann:
- Verwaltung: Termine koordinieren, Räume zuteilen, Daten verwalten
- Übersetzung: Sprachbarrieren überwinden, mehrsprachige Angebote schaffen
- Textarbeit: Predigten vorbereiten, Quellen erschließen, Formulierungen entwickeln
- Niedrigschwellige Erstkontakte: Glaubensinteressierten erste Fragen beantworten
- Entlastung: Bei Überlastung von Beratungsstellen kurzfristige Impulse geben
Entscheidend ist dabei immer: Transparenz. Menschen müssen wissen, wann sie mit einer Maschine kommunizieren. Eine Kennzeichnungspflicht – wie sie Tietz fordert – ist ethisch geboten. „Wir wollen doch keine Kirche, in der KI uns Menschen nur vorgaukelt.“
Die theologische Dimension: Gottesebenbildlichkeit und Würde
Die Diskussion berührt eine grundlegende theologische Frage: Was macht uns als Menschen aus?
Der Kölner Theologe Elmar Nass warnt: KI stelle die Gottesebenbildlichkeit des Menschen infrage. Die Kirche müsse sich positionieren „gegen jene, die KI für die neue Krone der Schöpfung halten oder sogar als Heilsbringer, als Gott selbst.“
Diese Warnung ist nicht technikfeindlich gemeint. Sie erinnert daran: Menschen sind keine optimierbaren Maschinen. Zum Menschsein gehört Fehlbarkeit, Begrenztheit, Angewiesensein auf Beziehung. Gerade darin zeigt sich Würde – nicht in perfekter Funktionalität.
Ein Seelsorgegespräch ist kein Datenaustausch. Es ist ein Raum, in dem zwei Menschen gemeinsam nach Gott suchen. In dem Gebet möglich wird. In dem Stille Bedeutung hat. Das lässt sich nicht digitalisieren.
Digitale Spiritualität: Mehr als nur Technik
Zugleich zeigen Projekte wie das Netzkloster: Digitale Räume können spirituelle Tiefe ermöglichen. Etwa 350 Menschen aus drei Ländern meditieren dort regelmäßig gemeinsam – via Zoom. Sie schweigen miteinander, beten, teilen kontemplative Praxis.
Die „Netzäbtissin“ des Klosters betont: „Es braucht einen gewissen äusseren Raum, um den Weg nach innen zu gehen. Wenn da eine Person ist, die eine Art Geländer baut, dann ist es einfacher.“ Dieser Rahmen funktioniert auch digital – weil am anderen Ende echte Menschen sind, die bewusst Präsenz schenken.
Das RefLab der Reformierten Kirche Zürich hat im Oktober 2024 eine ganze Tagung dem Thema „Holy Spaces“ gewidmet. Ihr Fazit: Unser Leben findet heute selbstverständlich digital und analog statt. Spiritualität kann beide Räume verbinden – ohne dass einer den anderen ersetzt.
Was bleibt unverzichtbar
Bei aller Offenheit für neue Wege: Manche Dinge bleiben nicht verhandelbar.
Echte Seelsorge ist Beziehung. Sie lebt davon, dass beide Seiten anwesend sind – nicht perfekt, aber echt. Sie lebt vom mitfühlenden Herz, vom ehrlichen Gespräch, vom tröstenden Wort. Das ist nicht automatisierbar – und soll es auch nicht sein.
KI darf helfen, neue Wege zu öffnen. Aber gehen müssen wir sie selbst. Im Hören, im Miteinander, im Vertrauen.
Die entscheidende Frage ist nicht, ob wir KI in der Kirche nutzen, sondern wie – mit welcher Haltung, welchem Ziel, welchen Grenzen. Nicht alles, was möglich ist, ist auch hilfreich. Und nicht alles, was hilft, ist gleich gut.
Meine Haltung: Werkzeug, nicht Ersatz
Auch ich nutze KI bewusst – als Werkzeug, nicht als Ersatz. Sie hilft mir bei sprachlicher Glättung, bei Strukturierung längerer Texte, beim Sammeln thematischer Impulse. Was daraus wird, ist immer von mir persönlich verantwortet – mit Blick auf die Menschen, denen meine Arbeit gilt, und auf meine seelsorgliche Haltung.
Die Technik hilft beim Wie – das Wozu aber bleibt meine Aufgabe.
Ich orientiere mich dabei an den ethischen Vorgaben der Diakonie Deutschland (2024) und der EU-Verordnung zur verantwortungsvollen KI-Nutzung (2024/1689). Beide betonen: Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen. KI darf unterstützen, nie ersetzen. Transparenz ist Pflicht.
Ein Blick nach vorn
Die Diskussion wird weitergehen. Neue Technologien werden neue Fragen aufwerfen. Manches, was heute undenkbar scheint, wird morgen selbstverständlich sein.
Aber eines wird bleiben: Die Sehnsucht nach echtem Gegenüber. Nach jemandem, der wirklich zuhört. Der mitfühlt, weil er selbst Verletzlichkeit kennt. Der betet, weil Gebet mehr ist als Worte.
KI kann vieles – aber kein Herz berühren. Sie kann inspirieren – aber keine Trauer mittragen. Sie kann Impulse geben – aber keine Nähe schaffen.
In der Seelsorge bleibt das Wesentliche unverzichtbar: das mitfühlende Herz, das ehrliche Gespräch, das tröstende Wort.
Und ich bin dankbar für jedes Gespräch, das dieses Ringen weiterführt. Für Fragen, Widerspruch, gemeinsames Nachdenken. Denn auch das gehört dazu: nicht fertig zu sein, sondern gemeinsam zu suchen.
Weiterführende Gedanken
Zwei Artikel haben mich in den letzten Monaten besonders geprägt:
Das RefLab der Reformierten Kirche Zürich beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie Spiritualität im digitalen Raum funktioniert – theologisch fundiert, praktisch erprobt, ehrlich fragend.
Und dieses Interview mit Kirchenpräsidentin Christiane Tietz bringt auf den Punkt, warum Seelsorge nie zu einem „maschinellen Dienst verkommen“ darf.
Beide Stimmen teilen eine Haltung, die auch meine ist: Offenheit für Neues – bei gleichzeitiger Klarheit über das Unverzichtbare.
(Stand: Oktober 2025)
Drei Fragen zur eigenen Positionierung
Die folgenden Fragen sind als Einladung gedacht, Ihre eigene Haltung zu klären – nicht als Test mit richtigen Antworten. Nehmen Sie sich Zeit. Vielleicht notieren Sie Ihre Gedanken. Vielleicht sprechen Sie mit jemandem darüber.
1. Die theologische Frage: Wo wirkt Gottes Geist?
Gottes Geist hat durch Jahrhunderte hindurch verschiedene Medien genutzt: die geschriebene Bibel, die gedruckte Zeitung, die Radioandacht, den Fernsehgottesdienst. Jedes Mal gab es Skepsis – und jedes Mal zeigte sich: Gott lässt sich nicht begrenzen. Könnte der Heilige Geist auch durch digitale Räume wirken? Durch einen Zoom-Gottesdienst? Durch einen Text, an dem KI mitgewirkt hat? Wo würden Sie eine Grenze ziehen – und warum?
Diese Frage öffnet den Raum für eine zentrale theologische Überlegung: Ist Gottes Wirken an bestimmte Medien gebunden – oder kann Gott alle Wege nutzen, um Menschen zu erreichen? Und wenn ja: Was bedeutet das für unseren Umgang mit neuen Technologien?
2. Die Wertfrage: Was ist Ihnen heilig?
Wenn Sie an einen Moment denken, in dem Ihnen jemand wirklich geholfen hat – in einer Krise, einem Zweifel, einer schweren Zeit: Was genau war es, das geholfen hat? War es das Gesagte? Die Art, wie es gesagt wurde? Die bloße Anwesenheit? Das gemeinsame Schweigen?
Diese Frage hilft herauszufinden, welche Qualitäten von Beziehung für Sie persönlich unverzichtbar sind. Daraus lässt sich ableiten: Was davon könnte KI leisten – und was nicht?
3. Die Zukunftsfrage: Welche Kirche wollen wir sein?
Angenommen, in zehn Jahren würde Ihre Enkelin oder ein junger Mensch in Ihrer Gemeinde Sie fragen: „Wie habt ihr damals entschieden, KI einzusetzen – oder eben nicht?“ Was würden Sie gerne antworten können? Worauf wären Sie stolz? Was würden Sie bereuen?
Diese Frage öffnet den Blick für langfristige Konsequenzen und hilft, von der Zukunft her zu denken: Welche Art von Kirche, von Gemeinschaft, von Menschlichkeit wollen wir bewahren und gestalten?

Zum Einsatz von KI auf dieser Webseite
In meiner seelsorglichen Arbeit stehen echte Begegnung, Mitgefühl und menschliche Nähe im Mittelpunkt. Das lässt sich nicht digitalisieren – und soll es auch nicht. Doch in einer zunehmend digitalen Welt können neue Werkzeuge dabei helfen, Texte klarer zu formulieren und Gedanken verständlich zu vermitteln.
Ich nutze Künstliche Intelligenz (KI) bewusst und reflektiert – nicht als Ersatz für das persönliche Gespräch, sondern als hilfreiches Werkzeug bei der Gestaltung dieser Webseite.
Wie KI mich unterstützt – und wo die Grenze liegt
KI hilft mir bei ganz praktischen Aufgaben:
- beim sprachlichen Feinschliff meiner Texte,
- bei der Korrektur von Rechtschreibung und Grammatik,
- bei der klaren Strukturierung längerer Beiträge,
- bei der Sammlung thematischer Impulse für allgemeine Texte.
Entscheidend bleibt: Alle Inhalte auf dieser Webseite sind von mir persönlich verantwortet und durchdacht. Sie spiegeln meine seelsorgliche Haltung, meine Erfahrungen in der Klinik und mein theologisches Nachdenken wider. KI bleibt dabei ein Werkzeug – nicht mehr, nicht weniger.
Ethisch und transparent
Ich orientiere mich an den Leitlinien der Diakonie Deutschland (EWDE 2024) sowie an den europäischen Vorgaben zur verantwortungsvollen Nutzung von KI (EU-Verordnung 2024/1689).
Mit dieser offenen Haltung möchte ich zu einer ehrlichen und verantwortungsvollen Diskussion über KI im kirchlichen Raum beitragen.
Im Zentrum: der Mensch
Auch im digitalen Raum gilt:
Der Mensch und seine Würde stehen immer im Mittelpunkt.
(Stand: Mai 2025)