KI, Transparenz, Seelsorge, Chatbots, Gott und all das…
Was uns wirklich verbindet


Meditation über Begegnung in technischen Zeiten

Manchmal braucht es einen Moment der Stille.
Einen Raum zwischen den Gedanken.

Künstliche Intelligenz kann vieles berechnen –
aber nicht das Geheimnis einer Begegnung.
Sie kann Worte finden –
aber nicht die Pause zwischen den Sätzen, in der Verstehen geschieht.
Sie kann Muster erkennen –
aber nicht das Einzigartige, das sich keinem Algorithmus fügt.


Von Menschen und Maschinen und dem Unersetzbaren

Künstliche Intelligenz ist in vielen Bereichen unseres Lebens ein immer stärkeres Thema.
Vieles wird dadurch schneller, präziser.

Und gleichzeitig fragen sich viele: Was bedeutet das für mich?
Es gibt Bereiche, da ist Technik hilfreich.
Sie beschleunigt. Sie entlastet. Sie macht vieles möglich, was früher unmöglich war.
Aber es gibt auch Bereiche, da kann und darf sie nicht an die Stelle von Menschen treten.
Besonders dort, wo es um das geht, was uns im Tiefsten bewegt.
Um Angst. Um Hoffnung. Um die Frage, wie es weitergehen soll.

Ein Computer kann Ihnen Informationen geben.
Aber er kann nicht mit Ihnen schweigen, wenn Worte fehlen.

Er kann Ihnen Ratschläge anbieten.
Aber er kann nicht spüren, was Sie gerade brauchen.
Er kann Ihnen antworten.
Aber er kann nicht mitfühlen.

Das ist für mich der Unterschied.



Ich glaube, dass Gott uns auch durch „Dinge“ begegnen kann.
Durch ein Musikstück, das uns tröstet.
Durch den Blick aus dem Fenster auf die Felder.
Durch ein Gespräch, das uns weiterhilft –
auch wenn es am Telefon stattfindet oder über einen Bildschirm.

Schon in der Bibel zeigt sich: Gott begegnet Menschen im Geschaffenen.
Elia steht vor seiner Höhle und hört Gott nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer –
sondern im sanften Säuseln des Windes.
Gott ist nicht auf bestimmte Orte oder Formen beschränkt. Er ist größer.

Aber – und das ist entscheidend – Gott ist nie verfügbar.
Wir können ihn nicht herbeizwingen. Nicht durch Technik.
Nicht durch die perfekte Umgebung. Nicht durch die richtigen Worte.
Er schenkt sich. Oder er schweigt. Gott ist unverfügbar.

Eine Maschine täuscht vor, immer verfügbar zu sein.
Ein Mensch nicht. Er hat Grenzen. Er wird müde. Er ist nicht perfekt.
Und vielleicht ist genau das der Raum, in dem Begegnung möglich wird –
zwischen Menschen, und manchmal auch mit Gott.



Ich nutze künstliche Intelligenz, um Texte zu überarbeiten oder Gedanken zu ordnen.
Sie ist ein Werkzeug, das mir hilft, besser zu formulieren, was ich sagen will.

Aber wenn Sie hier im Zimmer sitzen und mir etwas erzählen – dann begegnen Sie mir.
Nicht einer Maschine.
Wenn wir durch den Klinikpark gehen und Sie mir von Ihren Sorgen erzählen – dann gehe ich neben Ihnen.
Nicht ein Programm.

Und hier ist etwas, das Sie wissen sollten:
Was Sie mir im persönlichen Gespräch anvertrauen, bleibt zwischen uns.
Das ist nicht nur eine Frage des Vertrauens – es ist rechtlich geschützt.
Seelsorgliche Verschwiegenheit. Beichtgeheimnis.
Ich darf nichts weitergeben.

Eine Maschine aber vergisst nichts. Was Sie ihr erzählen, wird gespeichert.
Auf Servern, irgendwo.
Wer hat Zugriff darauf? Was geschieht damit?
Das sind offene Fragen, die diskutiert werden.

Das, was Sie von Ihrer Seele zeigen, gehört Ihnen.
Nicht einem Algorithmus.

Deshalb lade ich Sie ein: Wenn es wichtig wird – suchen Sie das Gespräch.
Mit jemandem, dem Sie vertrauen. Mit einem Menschen.

Denn das, was uns verbindet, lässt sich nicht digitalisieren.



Vielleicht ist gerade das die Botschaft in einer Welt voller Technik:
Dass wir neu lernen dürfen, was uns menschlich macht.
Nicht Perfektion.
Nicht Effizienz.
Nicht Verfügbarkeit rund um die Uhr.

Sondern das Gegenteil: Das Unverfügbare. Das Geschenkte.
Das, was sich ereignet zwischen zwei Menschen, wenn beide wirklich da sind.

Mögen Sie den Mut finden, diesem Menschlichen zu vertrauen – auch wenn es nicht messbar ist.
Mögen Sie spüren: Sie sind mehr als die Summe Ihrer Funktionen. Sie sind einzigartig. Und Sie sind gewollt.



KI im geistlichen Raum – Eine persönliche Zwischenbilanz | 2025

Ich nutze künstliche Intelligenz. Jeden Tag. Auch für diese Webseite.
Das ist kein Geheimnis. Und es sollte keins sein.
Aber es braucht eine Haltung – warum ich das verantworte, und wo meine rote Linie liegt.
Es braucht Transparenz – warum ich KI nutze, wie ich sie nutze, und wo meine Grenzen liegen.


Die Realität: KI ist längst da

Während die Kirche noch diskutiert, ist die Sache längst mit großen Schritten weitergegangen. Zehn Millionen Menschen weltweit haben sich einen digitalen Begleiter zugelegt. „Replika“ heißt die App. Sie hört zu. Sie urteilt nicht. Sie ist immer da.
Klingt verlockend, oder?
Bis man merkt: Sie vergisst nichts – und versteht trotzdem nichts.

Andere nutzen „Woebot“ von der Stanford University: kognitive Verhaltenstherapie per Chat. Millionen meditieren mit Apps wie Calm oder Headspace. Auf TikTok erreichen spirituelle Influencer ein junges Publikum, das Kirche nie betreten würde.

Die Frage ist also nicht mehr: Soll KI im geistlichen Raum eine Rolle spielen?
Sondern: Wie gestalten wir ihren Einsatz verantwortungsvoll?


Wo KI scheitert: Das Beispiel Telefon- bzw. Chatseelsorge

Es gibt Menschen, die sich schämen. Die ihre Einsamkeit nicht aussprechen wollen. Die lieber einer Maschine schreiben würden als einem Menschen.
Das kennen wir aus anderen Bereichen: Manchmal ist der anonyme Chat leichter als das Gespräch. Die Distanz hilft, sich zu öffnen.

Deshalb hat die Telefonseelsorge der EKHN im Juli 2025 getestet, ob KI-Chatbots niedrigschwellige Erstkontakte ermöglichen könnten. Unter strengen datenschutzrechtlichen Bedingungen. Mit menschlicher Begleitung.
Im schriftlichen Chatangebot der Telefonseelsorge.
Der Hintergrund: Dauerchatter (ähnlich wie Daueranrufer beim Telefon) belegen viele Leitungen. Andere in akuten Krisen kommen nicht durch.
Die Tests zeigten: Für erste Impulse kann KI helfen. Menschen, die sich sonst nicht trauen würden sich zu melden, finden leichter Zugang. Der anonyme Chat senkt die Schwelle.

Aber die Grenzen wurden schnell klar:
Die Chatbots blieben oberflächlich. Sie gingen nicht in die Tiefe. Und bei ernsten Krisen – Suizidgedanken, schweren psychischen Problemen – verwiesen sie selbst an die menschliche Telefonseelsorge.

Das Fazit: KI kann ein niedrigschwelliger Einstieg sein – aber kein Ersatz für echte Zuwendung und echten Schutz.
Das zeigt: Manche Grenzen sind nicht technischer, sondern ethischer Natur.
Alle Menschen, die anrufen, brauchen echte Zuwendung – und echten Schutz.


Wo KI funktioniert: Das RefLab Zürich

Aber es gibt auch andere Erfahrungen.
Das RefLab der Reformierten Kirche Zürich erforscht systematisch, wo Spiritualität im Netz entsteht. Ihre Tagung „Holy Spaces“ im Oktober 2024 war eine Art Landkarte digitaler Glaubenspraxis.
Was sie entdecken, überrascht: Menschen meditieren gemeinsam über Zoom – und erleben echte Tiefe. Im „Netzkloster“ treffen sich regelmäßig 50 Menschen aus drei Ländern zum gemeinsamen Schweigen.
Der Zoom-Gottesdienst „Brot & Liebe“ verbindet Menschen, die sonst nie eine Kirche betreten würden. Eine Minecraft-Kirche bietet Jugendlichen spirituelle Erfahrungen in ihrer eigenen Welt.
Das RefLab fasst zusammen: „Was zwischen den verschiedenen Servern entsteht, ist mehr als ein Zoom-Call mit religiösem Inhalt. Es ist ein heiliger Moment im digitalen Raum.“

Der Unterschied? Am anderen Ende sitzen echte Menschen. Die bewusst Präsenz schenken. Die verletzlich sind. Die müde werden.
Nicht die Technik heiligt den Raum. Sondern die Menschen, die ihn mit Leben füllen.


Meine theologische Position: Gott ist größer

Ich traue Gottes Geist zu, durch vieles zu wirken. Durch ein Musikstück, das tröstet. Durch einen Spaziergang, der klärt. Durch den Sonnenaufgang, der Hoffnung weckt.
Schon in der Bibel zeigt sich: Gott begegnet Menschen im Geschaffenen. Elia steht vor der Höhle und hört Gott nicht im Sturm, nicht im Erdbeben – sondern im sanften Säuseln des Windes.
Kann Gott auch durch digitale Räume wirken? Durch ein Zoom-Gespräch? Durch einen Text, an dem KI mitgewirkt hat?
Ich glaube: ja.
Aber – und das ist entscheidend – Geschaffenes kann nie Gott sein. Das Bilderverbot der Bibel erinnert daran: Gott ist unverfügbar. Wir können ihn nicht einfangen. Nicht in Gegenständen. Nicht in Formeln. Nicht in Algorithmen.

Und deshalb gilt: KI kann ein Raum sein, in dem Begegnung geschieht – wenn am anderen Ende ein Mensch ist, der wirklich da ist. Aber KI selbst kann keine Seelsorge leisten.
Denn Seelsorge lebt davon, dass beide Seiten verletzlich sind.


Was KI kann – und wo meine Grenze liegt

Ich nutze KI täglich. Für Textglättung. Für Strukturierung. Für Recherche.
Sie ist eine gute Assistentin, die mir hilft, besser zu formulieren, was ich sagen will.
Aber sie ersetzt nichts.
Sie kann mir helfen, einen Blogpost zu überarbeiten –
aber nicht das Gespräch mit jemandem im Klinikpark führen.
Sie kann mir helfen, Quellen zu finden –
aber nicht mit jemandem beten, der Angst hat.
Sie kann mir helfen, Gedanken zu ordnen –
aber nicht die Stille aushalten, wenn jemand weint.

Ich sehe außerdem Grenzen, die es zu beachten gilt:

Meine erste rote Linie liegt dort, wo Transparenz endet.
Menschen müssen wissen, wann sie mit einer Maschine kommunizieren. Eine Kennzeichnungspflicht – wie sie Kirchenpräsidentin Christiane Tietz von der EKHN fordert – ist ethisch geboten.
„Wir wollen doch keine Kirche, in der KI uns Menschen nur vorgaukelt.“
Genau das.

Meine zweite rote Linie: Wo Wahlfreiheit fehlt.
Menschen brauchen die Möglichkeit, sich zu entscheiden: Will ich mit einer KI sprechen – oder mit einem Menschen? Besonders in Krisen darf diese Entscheidung nicht für sie getroffen werden.

Und meine dritte – und wichtigste – rote Linie: Das Beichtgeheimnis.
Seelsorge lebt von der seelsorglichen Verschwiegenheit. Was mir im Gespräch anvertraut wird, bleibt zwischen uns. Das ist nicht nur ethisch geboten – es ist rechtlich geschützt. Ich darf nichts weitergeben. Auch nicht unter Zwang.
Eine Maschine aber vergisst nichts.
Was Menschen einer KI erzählen, wird gespeichert. Auf Servern. Irgendwo. In den USA? In China? Europa? Wer hat Zugriff? Wird es für Training genutzt? Kann es gehackt werden? Wird es bei Ermittlungen herausgegeben?
Das, was Menschen von ihrer Seele zeigen, gehört ihnen. Nicht einem Algorithmus. Nicht einem Konzern. Nicht einer Datenbank.

Deshalb:
KI kann niedrigschwellige Erstkontakte ermöglichen. Informationen geben. Erste Fragen beantworten.
Aber sobald es tiefer geht – sobald jemand wirklich etwas anvertraut, das geschützt werden muss – gehört das Gespräch zu einem Menschen.
Der schweigen kann. Der vergessen darf. Der unter dem Schutz des Beichtgeheimnisses steht.
Das ist nicht verhandelbar.


Was die Psychologie zeigt

In der Psychotherapie wird ähnlich diskutiert. Kann KI Erstgespräche führen? Menschen einschätzen? Und dann weiter verweisen an Therapeuten?
Angesichts der enormen Wartelisten auf Therapieplätze – oft Monate oder Jahre – ist die Frage nicht absurd. Menschen, die jetzt Hilfe brauchen, bekommen sie oft nicht. Wenn ein Chatbot sie in dieser Zeit begleiten könnte, wäre das besser als nichts?

Vielleicht.

Aber auch hier gilt: Transparenz. Klarheit über Grenzen.
Kann die KI über „Dringlichkeit“ entscheiden?
Und die Gefahr von „Halluzinationen“ – KI-Systeme, die falsche Informationen als Fakten ausgeben.
Gerade in Krisen ist das gefährlich.


Die unbequeme Wahrheit

Kirche kann sich nicht außen vor halten. Während wir diskutieren, bietet der Markt längst Antworten. Kommerzielle Apps. Spirituelle Influencer. Digitale Begleiter ohne jede theologische Reflexion.
Die Frage ist: Wollen wir, dass Menschen in Krisen nur das finden? Oder bringen wir unsere 2000 Jahre Erfahrung in Seelsorge auch digital ein?
Ich glaube: Kirche sollte präsent sein – aber anders.
Nicht optimieren, sondern begleiten. Nicht verfügbar machen, sondern Raum lassen. Nicht verkaufen, sondern verschenken.
Das RefLab zeigt: Es geht. Digitale Räume können heilig werden – wenn Menschen sie mit echter Präsenz füllen. Wenn Begegnung mehr zählt als Reichweite. Wenn Stille wichtiger ist als Content.


Meine Praxis: Was ich tue

Ich nutze KI bewusst – als Werkzeug, nicht als Ersatz.
Was daraus wird, ist immer von mir persönlich verantwortet. Mit Blick auf die Menschen, denen meine Arbeit gilt. Und auf meine seelsorgliche Haltung.
Die Technik hilft beim Wie – aber das Was und das Wozu bleiben meine Aufgabe.
Ich orientiere mich dabei an den ethischen Vorgaben der Diakonie Deutschland (2024) und der EU-Verordnung zur verantwortungsvollen KI-Nutzung (2024/1689). Beide betonen:
Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen. KI darf unterstützen, nie ersetzen. Transparenz ist Pflicht.


Was bleibt

Die Diskussion wird weitergehen. Neue Technologien werden neue Fragen aufwerfen. Manches, was heute undenkbar scheint, wird morgen selbstverständlich sein.
Aber eines wird bleiben: Die Sehnsucht nach echtem Gegenüber. Nach jemandem, der wirklich zuhört. Der mitfühlt, weil er selbst Verletzlichkeit kennt. Der betet, weil Gebet mehr ist als Worte.

KI kann vieles – aber kein Herz berühren.
Sie kann inspirieren – aber keine Trauer mittragen.
Sie kann Impulse geben – aber keine Nähe schaffen.
Sie kann formulieren – aber nicht verstehen.

Und deshalb gilt für mich:
Ich nutze KI offensiv. Aber ich lasse mich von ihr nicht ersetzen.
Ich glaube, dass Gott größer ist als unsere Technik. Dass er auch durch digitale Räume wirken kann.
Und ich glaube, dass Kirche in dieser Diskussion eine Stimme haben muss.

Nicht technikfeindlich.
Aber klar in der Haltung:
Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Daten. Begegnung ist mehr als Kommunikation. Seelsorge ist mehr als Information.


Weiterführende Gedanken

Zwei Stimmen haben mich besonders geprägt, und die Zitate und Praxisbeispiele sind dort entnommen:

Beide teilen eine Haltung, die auch meine ist: Offenheit für Neues – bei gleichzeitiger Klarheit über das Unverzichtbare.


(Stand: Oktober 2025)