
Das Land der Trauer
Trauer ist wie eine Wüste.
Ein ausgedörrtes Land der Stille,
wo Zeit anders fließt
und vertraute Wege verschwinden.
Ein Ort,
an dem die Sonne unbarmherzig brennt
und der Himmel weit und leer scheint.
Man geht –
und weiß oft nicht, wohin.
Die Schritte werden schwer.
Der Mund trocken
von geweinten und ungeweinten Tränen.
Die Oase – ein Ort des Atemholens
Doch mitten in dieser Wüste
gibt es Oasen des Trostes.
Nicht immer sichtbar aus der Ferne.
Manchmal erkennt man sie erst,
wenn man fast daran vorübergegangen ist.
Trost ist wie eine Oase.
Ein Blick, der aushält,
wenn Worte zu schwer sind.
Ein einziges Wort kann Trost sein.
Eine ausgestreckte Hand.
Ein geteiltes Stück Brot.
Ein leiser Segen.
Ein Mensch, der bleibt,
wenn andere schon gegangen sind.
»Auch wenn ich durchs dunkle Tal gehe – du bist bei mir.«
(Psalm 23,4 – BasisBibel)
Diese uralten Worte
können wie Wasser sein
für eine durstige Seele.
An der Oase des Trostes
muss ich nicht stark sein.
Ich darf einfach sein.
Sitzen.
Schweigen.
Atmen.
»Trost ist die Erfahrung, dass ich in meinem Leid nicht allein bin.«
– Jörg Zink, Die goldene Schnur, 2010, S. 63
Trost – leise und unerwartet
Trost kommt oft unerwartet.
Nicht laut.
Nicht planbar.
Aber durch Menschen,
die wie Engel sind:
ohne Flügel –
doch mit offenen Herzen
und ausgestreckten Händen.
Trost ist kein Ende der Trauer.
Er überspringt sie nicht.
Er leugnet sie nicht.
Wahrer Trost sagt niemals:
„Es ist doch gar nicht so schlimm.“
Sondern:
„Ich sehe, wie schwer du gehst.
Und ich bin da.“
»Trost ist nicht, dass ein anderer mir mein Leid ausredet,
sondern dass er es mit mir trägt.«
– Romano Guardini, Briefe über Selbstbildung, 1996, S. 47
Ein schützender Schatten auf dem Weg
Trost ist nicht das Gegenteil von Trauer.
Er ist ihr leiser Begleiter.
Ein Schatten unter einem einsamen Baum
in der Mittagshitze.
Ein Schluck Wasser zur rechten Zeit.
Ein Lied, das in der Stille singt:
Du bist nicht vergessen.
Du bist nicht allein.
Und wenn der Weg weitergeht
Wenn ich von der Oase des Trostes
wieder aufbreche in die Wüste,
ist der Weg nicht einfach leicht.
Aber etwas in mir ist gestärkt.
Getröstet.
Berührt von einer Gegenwart,
die größer ist als meine Einsamkeit.
Vielleicht ist da nun eine neue Kraft:
Ein Name.
Ein Segen.
Eine Erinnerung, die wärmt,
wenn die Nacht kommt.
Und vielleicht weiß ich nun:
Es gibt Oasen.
Auch morgen.
Auch für mich.
»Es ist die Liebe, die den Trost bringt – nicht die Erklärung.«
– Henri Nouwen, Mit dem Rücken zur Wand, 2017, S. 43
Neue Horizonte
Trost verändert nicht den Verlust.
Aber er verändert mich.
Er gibt Kraft für den nächsten Schritt.
Die Wüste ist noch da –
aber ich bin auch noch da.
Und ich gehe weiter,
getragen von Momenten,
die mich erinnern:
Selbst in der trockensten Wüste
kann Leben wachsen.
Und manchmal, ganz am Rand des Horizonts,
wartet schon das fruchtbare Land.